Herbert Vogt. Gefallen bei Stalingrad. Operation Uranus Gutachten aus 1970

G U T A C H T E N  vom 15.09.1970

Über das Schicksal des [etwa 5 km nördlich von Pokrowskij – Don-Bogen] Verschollenen
[Obergefreiter] Herbert V o g t , geb. 16.2.21 [in Großendorf, Kreis Steinau in Schlesien, heute Dłużyce]

Truppenteil: Artillerie-Regiment der 62. Infanterie-Division [12 Batterie, AR 162, 62. ID.]
Vermißt seit 22. Dezember 1942
DRK-Verschollenen-Bildliste Band AD, Seite 662

Herbert Vogt (1921-1942)

Ausgangspunkt für die Nachforschungen waren die dem Suchantrag entnommenen Angaben, die in die Verschollenen-Bildlisten aufgenommen wurden. Damit sind alle erreichbaren Heimkehrer aus Krieg und Gefangenschaft befragt worden, von denen angenommen werden konnte, daß sie mit dem Verschollenen zuletzt zusammengewesen sind. Diese Befragungen fanden sowohl in der Bundesrepublik als auch in Österreich und anderen Nachbarländern Deutschlands statt.

Ferner sind von anderen Stellen, die Unterlagen über die Verluste im 2. Weltkrieg besitzen, Informationen eingeholt worden. In erster Linie handelt es sich hierbei um das Internationale Komitee vom Roten Kreuz in Genf, die Deutsche Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen deutschen Wehrmacht in Berlin und die Heimatortskarteien.

Über diese individuellen Ermittlungen hinaus wurde die Frage geprüft, ob der Verschollene in Gefangenschaft geraten sein konnte. Dabei wurden die Kampfhandlungen, an denen er zuletzt teilgenommen hat, rekonstruiert. Als Unterlage dienten dem DRK-Suchdienst Angaben über Kameraden, die der gleichen Einheit angehört hatten und zum selben Zeitpunkt und am selben Einsatzort verschollen sind, Heimkehrerberichte, Schilderungen von Kampfhandlungen, Kriegstagebücher sowie Heeres- und Speziallandkarten.

Das Ergebnis aller Nachforschungen führte zu dem Schluß, daß

Herbert  V o g t

mit hoher Wahrscheinlichkeit am 22. Dezember 1942 bei den Kämpfen während des Rückzuges von Bokowskaja nach Morosowskaja gefallen ist.

Zur Begründung wird ausgeführt:

Am 19. November 1942 waren sowjetische Armeen nordwestlich und südlich von Stalingrad zum Gegenangriff angetreten. Zwei Tage später trafen sich die Spitzen ihrer Panzerverbände bei Kalatsch; die deutsche 6. Armee war eingeschlossen worden. [Operation Uranus]

Um ein weiteres Vordringen des Gegners nach Westen zu verhindern, wurden die deutschen Verbände schnell neu gegliedert. So entstand im Norden des Angriffsraumes die Armeeabteilung Hollidt, deren Truppen am Tschir Stellungen bezogen hatten.

Auch die 62. Infanterie-Division, die aus dem Raum Woronesch nach Stalingrad verlegt werden sollte, wurde unterwegs angehalten und ihr unterstellt. Sie musste südlich Weschenskaja [Wjoschenskaja] im Raum Bokowskaja [Bokovskaya] einen 30 Kilometer breiten Verteidigungsabschnitt übernehmen. Dieser wurde seit dem 7. Dezember immer wieder von sowjetischen Kräften angegriffen, ohne daß es jenen gelang, die deutschen Stellungen zu durchbrechen. Erst als die Front zwischen Nowaja Kalitwa und Konkow ins Wanken geriet, mußten sich die deutschen Verbände vom Tschir lösen.

Am Abend des 17. Dezember hatte der Rückzug begonnen und schon am folgenden Tage durchbrachen starke sowjetische  Panzerkräfte die nur von Nachhuten gehaltenen Stellungen. Bei Krushilin, Singin, Iljin und Werchnije Lutschki konnten sich die Einheiten der Division nur unter Verlusten aus der Umklammerung befreien.

Die Division sammelte am 19. Dezember in Karginskaja [Karginskaya], 100 km nördlich von Morosowkaja [Morosowsk]. Bereits am nächsten Tag traten sowjetische Panzer, durch das Feuer ihrer Granatwerfer unterstützt, zum Angriff auf die Ortschaft an. Noch bis in die Nacht hinein dauerten die heftigen Straßen- und Häuserkämpfe, bei denen hohe Verluste entstanden. Die Einheiten, die sich vom Gegner lösen konnten, setzten den Rückzug fort.

Am 22. Dezember wurde die Division in Nowyi Astachow, 30 km südwestlich Karginskaja, erneut von sowjetischen Panzer- und Infanterie kräften gestellt. Wiederum waren die Ausfälle hoch. Nach einem Gefecht bei Werchnij Swetschnikow erreichten die Reste der Division den Raum südlich von Morosowskaja, wo der sowjetische Angriff Ende Dezember durch einen Gegenstoß zum Stehen kam.

Seit diesen Kampftagen wird eine große Anzahl von Soldaten der Division vermißt. Viele von ihnen haben während der Kämpfe den Tod gefunden, was auch für einige der Verschollenen durch Heimkehrer-Aussagen bestätigt wird. Darüber hinaus aber sind viele bei den nächtlichen Straßen- und Häuserkämpfen oder im tief verschneiten durch zahlreiche Schluchten durchzogenen Gelände gefallen, ohne daß es von Kameraden gesehen wurde. Bei der geschilderten Kampflage waren oft die Bergung und ärztliche Versorgung der Verwundeten nicht möglich. Wiederholt gerieten auch Verwundetentransporte und Verbandsplätze in das Feuer sowjetischer Panzer.

Es gibt keinen Hinweis dafür, daß der Verschollene in Gefangenschaft geriet. Er wurde auch niemals in einem Kriegsgefangenenlager gesehen. Alle Feststellungen zwingen zu der Schlußfolgerung, daß er bei den Rückzugskämpfen gefallen ist.

München, den 15. September 1970

Max Heinrich, Direktor
[Suchdienst Deutsches Rotes Kreuz]

Siegel und Unterschrift, in Vertretung gezeichnet

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Anmerkungen und Ergänzungen vom Autor in eckigen Klammern.

Quellen

  1. Gutachten über das Schicksal des Verschollenen Herbert Vogt, PDF
  2. Rossoschka, Würfel 126
  3. http://gov.genealogy.net/item/show/GROORFJO81FI (Großendorf im GOV)
  4. https://de.wikipedia.org/wiki/Operation_Uranus (Operation Uranus)
  5. https://de.wikipedia.org/wiki/Armeeabteilung_Hollidt (Armeeabteilung Hollidt)
  6. http://www.denkmalprojekt.org/2015/grossendorf(poln.dluzyce_landgemeinde-scinawa(steinau-a.d.oder_kreis-lubin(lueben)_nsl.html (Denkmalprojekt)