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Über Gräbern die Hand der Versöhnung reichen. Polen und Deutsche richten Friedhof her

Noch die letzten Tage brutzele ich meinen märkischen Wanst in der türkischen Sonne. Wohlstandsbesoffen und gammelnd surfe ich im weltweiten Netz und bleibe bei einem Beitrag der gebürtigen Hannoveranerin Tamara Pahlke auf Instagram hängen. Das Masurenmädchen – so nennt sie sich dort – macht ihrem Namen alle Ehre und veröffentlicht mehrere Fotos von Fleißigen, die bei der Instandsetzung und Pflege eines alten deutschen Friedhofs zu sehen sind. Gut gelaunt und von einem Lagerfeuer begleitet werden alte Gräber sichtbar, die im Laufe der Jahre zugewachsen zu verschwinden drohten. Sasek Mały ist zu lesen. Das Örtchen hieß früher mal Paterschobensee und liegt im ehemaligen Landkreis Ortelsburg, Regierungsbezirk Allenstein in Ostpreußen, knapp 700 km östlich von Berlin. Ein ganzes Stück weg. Wie schön ist das denn? Dachte ich mir und habe kurzerhand zum Masurenmädchen Kontakt aufgenommen.

Schon vor Jahren war Tamara mit Freundinnen vor Ort und hat Gräber gepflegt. Heute freut sie sich auch über tatkräftige männliche Unterstützung, die mit schwerem Gerät die alte Ruhestätte von neuen Bäumen und Geäst befreiten. Polen wie Deutsche gleichermaßen. Die Geschichte ist warm und herzlich und animiert zum Nachmachen. Akteure der Kreisgemeinschaft Ortelsburg e.V., die Gastwirtin Ewa Piatkowska, der sehr engagierte Erwin Gregor Gonsowski, die Genealogin Tamara Pahlke und viele, viele weitere hier namentlich unerwähnt Gebliebene. Slawek z.B., dessen Familienname Tamara nicht mehr in den Sinn kam. Sie alle machten in einer beeindruckenden Aktion den alten deutschen Friedhof von Paterschobensee wieder flott.

Ganz so spontan kann man natürlich nicht einfach drauf los Bäume schlagen. Gemeinde und Forst sind zu fragen. Erwin Gonsowski, heute in Deutschland lebend, stammt aus der Gegend und konnte denkbare bürokratische Hürden dank seiner guten Kontakte bereits im Vorfeld nehmen. Neben der lokalen Feuerwehr sei gut die Häfte der Dorfeinwohner mit dabei gewesen sowie Gäste von Ewa, die sich spontan bereit erklärten, mitzuhelfen. Aktive Erholung trifft auf Geschichte. Einige freuten sich über Feuerholz, andere über Ewa’s Suppe; doch eines hatten alle gemeinsam: sie haben etwas Gutes vollbracht. Zusammen und über Grenzen hinweg. Einfach nur toll.

Nächstes Jahr im Frühling ist eine Umzäunung und eine Gedenktafel geplant. Finanziert wird das Ganze übrigens komplett aus den eigenen Taschen der Beteiligten und mit Unterstützung der Kreisgemeinschaft Ortelsburg.

Mich hat Tamaras Motivation interessiert und als hätte ich es geahnt: ihre Familie stammt aus den Dörfern um den See herum. Ihr Urgroßvater ist nach dem Krieg in der alten Heimat auf dem Hofe im nahe gelegenen Klein Jerutten (Jerutki) geblieben, wo er 66ha Land bewirtschaftete. Er starb 1956 und liegt in „heimatlicher Erde“ begraben. „Ich war immer sehr umtriebig, doch in den Masuren fühle ich mich zu Hause. Das ist meine Heimat, auch wenn hier heute Polen leben. Über Jahrhunderte haben auch hier meine Vorfahren gelebt. Das kann man nicht einfach wegwischen.“ so die sympathische Ahnenforscherin, die heute in Giesen lebt. Der Friedhof in Klein Jerutten steht übrigens als nächstes auf ihrer Agenda. Die studierte Genealogin empfindet es als erfüllend, „über den Gräbern die Hand der Versöhnung zu reichen und mit den Einwohnern ins Gespräch zu kommen“. Das kann ich nur unterschreiben und unterstützen. Weiter so und Danke für diesen wertvollen Beitrag.

Herzlichst, Euer Daniel Kuss…

Quellen:

 

Grossartige Datenbank des VFFOW für Ahnenforschung in Ost- und Westpreußen (2020) Kostenlose Datenbank

Im Nachgang unserer Ostpreußen Tour 2017 erreichten mich insbesondere in den Kommentarspalten meiner Facebook-Seite zahlreiche Anfragen zu Vorfahren in Ostpreußen. Da half es auch wenig darauf hinzuweisen, dass ich kein Experte in der Region bin. Diese kurze Anleitung für Ahnenforscher in Ostpreußen habe ich im August 2017 erstmals veröffentlicht; mit umwerfender Resonanz. Zeit, für eine kurze Aktualisierung. Grossartige Datenbank des VFFOW für Ahnenforschung in Ost- und Westpreußen (2020) Kostenlose Datenbank weiterlesen

Standesamt Schillehnen, Tilsit-Ragnit in Ostpreußen (1891) Verschollene Register

Am 1. August 2017 habe ich mich mal wieder dem Digitalisieren von alten Dokumenten gewidmet. Genauer gesagt habe ich die Nummer [00773] aus meiner Dilibra-Sammlung gescannt. Ein etwas älteres Familienstammbuch vom Verlag des Reichsbundes der Standesbeamten Deutschlands e.V. G.m.b.H., das auf den ersten Blick wohl Ende 1926 zum Zwecke der Eheschließung zwischen dem 35-jährigen Ostpreußen Heinrich DELINGAT und dessen 9 Jahre jüngere Verlobte Johanna Lydia GERMANN in Lüdenscheid angelegt wurde. Immerhin war der Bräutigam in spe ein waschechter Ingenieur. Wie man sieht, riskiert man also selbst beim Digitalisieren schon mal einen inhaltlichen Blick. Schöne Schriften, schöne Stempel. So weit, so gut.

Den Geburtsort des Bräutigams konnte ich zunächst nicht entziffern und mir fehlte auch irgendwie die Lust, noch großartig zu recherchieren. Also stellte ich exakt um 18.44 Uhr einen Bild-Ausschnitt in mein Facebook-Album Übersetzungshilfen und holte mir derweil eine kühle, grüne Glasflasche Märkisch-Kristall (nein, ich stehe dort nicht unter Vertrag) und hatte nach nur 4 Minuten bereits die Lösung. Der gute Heinrich ist nämlich in Alt Lubönen geboren. (Danke Sabine, Danke Matthias.)

Laut GenWiki von Genealogy.net ist Alt Lubönen „ein kleines Dorf auf dem südlichen Hochufer der Memel. Gegenüber auf dem nördlichen Memelufer liegt der Gutsbezirk Kassigkehmen. Alt Lubönnen ist heute eine Wüstung, das letzte Wohnhaus wurde 1992 abgerissen.“ Den Artikel zum Ort fand ich übrigens sehr informativ, nett bebildert und insgesamt gelungen. Alt Lubönen befand sich bis zuletzt im Kaliningrader Oblast in Russland und soll wohl Osjornoje geheißen haben. Laut WikiPedia handele es sich um einen untergegangenen Ort im Rajon Krasnosnamensk, der von 1938 bis 1946 auch Friedenswalde genannt wurde.

Da hatte ich nun alles beisammen, so dass sich letztendlich folgendes „Familienbild“ dem Stammbuch entnehmen ließ:

Der Ingenieur Heinrich DELINGAT, evangelisch, geb. 26.03.1891 in Alt Lubönen, Kreis Ragnit in Ostpreußen, Sohn der Eheleute Friedrich DELINGAT und Anna BURNATZKY (beide evangelisch), ehelichte am 27.11.1926 die Johanna Lydia GERMANN, evangelisch, geb. 30.06.1900 in Lüdenscheid, Tochter der Eheleute Friedrich GERMANN aus Beilstein (Westerwald) und der Lydia WORTMANN aus Lüdenscheid (beide evangelisch). Die kirchliche Trauung erfolgte am 27.11.1926 in der ev. Kirche zu Lüdenscheid und wurde am 15.04.1932 im Stammbuch von der evangelisch-lutherischen Christuskirche in Leipzig-Eutritzsch von Verwaltungsobersekretär LORENZ bescheingt. Der Ehe entstammt die gemeinsame Tochter Rotraut Julianne DELINGAT, geb. 28.01.1932 in Leipzig. Sie wurde am 18.04.1932 in der ev.-luth. Christuskirche in Leipzig-Eutritzsch getauft. Taufpaten waren Herta GOOSMANN aus Hamburg und Kurt GERMANN aus Lüdenscheid in Westfalen. Heinrich DELINGAT starb – einem nicht offiziellen Eintrag zufolge – am 19.04.1956 in Wuppertal-Elberfeld (dort wohl auch bestattet).

Nachfahren und Verwandte, die hier anknüpfen können, dürften sich über die weiteren Puzzleteile in dieser (irgendwie niemals enden wollenden) Forschungsarbeit freuen. Mich betraf es nicht, ich freute mich dennoch. Nämlich über den unscheinbaren Eintrag: Standesamt Schillehnen, denn dessen Register gelten wohl als verschollen. Der Albtraum eines jeden Forschers! Umso wertvoller sind die gewonnenen Details, da sich anhand dieses Familienstammbuches zumindest das Geburtsregister Nr. 8 aus dem Jahr 1891 wie folgt rekonstruieren lässt:

Heinrich DELINGAT, geb. 26.03.1891 in Alt Lubönen, Sohn der Eheleute Friedrich DELINGAT (ev.) und Anna BURNATZKY (ev.)

Und wieder ein Stück Geschichte bewahrt.

Quellen:

  1. Familienstammbuch, https://www.dilibra.com/ahnenforschung/1345/
  2. http://wiki-de.genealogy.net/Alt_Lub%C3%B6nen
  3. Standesamt Schillehnen, Geburtsregister Nr. 8/1891 (die Register gelten als verschollen)
  4. Standesamt Lüdenscheid, Geburtsregister Nr. 511/1900
  5. Standesamt Lüdenscheid, Heiratsregister Nr. 244/1926
  6. Standesamt Leipzig I, Geburtsregister Nr. 389/1932

Ursprung und Geschichte der Stadt Freiberg (1876) Heimatkunde Sachsen

aus „Kleine Chronik von Freiberg als Führer von Sachsens Berghauptstadt und Beitrag zur Heimathkunde.“ von Heinrich Gerlach, Stadtrath und Vorstand des Freiberger Alterthumsvereins. Freiberg, im Mai 1876. Seiten 1 bis 17. Ursprung und Geschichte der Stadt Freiberg (1876) Heimatkunde Sachsen weiterlesen